Rezension ,,In medias res: Schuld ist nicht verhandelbar"

„Wer nach Rache strebt, hält seine eigenen Wunden offen.“ (Sir Francis Bacon, *1561)

 

Als Ellen Fontana die Quälereien der eigenen Mutter und später die Attacken der Mitschüler ertragen musste, war es prägend für ihr gesamtes weiteres Leben. Die emotionalen Schäden schienen irreparabel. Erst die selbstlose Fürsorge eines Mannes, der sich ihrer annahm, ließ zumindest die Hoffnung auf Heilung der Seele aufkeimen.

Jemand in Ellens Umfeld glaubt, erlittenes Unrecht aufarbeiten zu müssen. Dazu bedient sich der Täter absolut unkonventioneller Methoden. Der Rachefeldzug erscheint unerbittlich, da Mobbing-Attacken einer Mädchenclique sich auch gegen ein weiteres Opfer richteten und fatale Folgen hervorriefen.

 

Schuldbewältigung und Rache beherrschen das Geschehen und werfen die Frage auf, wie weit Sühnegedanken gehen dürfen.

 

Mein Eindruck:

Dieser Thriller konnte mich von sich überzeugen, auch wenn mir das Ende leider überhaupt nicht gefiel, doch dazu später mehr. Der Autor bringt in diesem Werk viele wichtige Dinge zur Sprache, die leider tagtäglich passieren und für die Betroffenen sehr schwer bzw. teilweise unmöglich zu verarbeiten sind. Wie schnell man jemanden das Leben zerstören kann, wird hier eindrucksvoll gezeigt. Auch wenn es mir teilweise etwas zu schnell ging, immerhin sprechen wir hier von einem Menschenleben, so konnte ich die Erklärungen und Intrigen, welche der Autor lieferte durchaus nachvollziehen. In weiterer Folge ist dieses Ereignis zu Beginn der sprichwörtliche Stein, der das Geschehen ins Rollen bringt. Wir lernen nach und nach die wichtigsten Charaktere kennen und erfahren mehr darüber, warum wir genau Ellen begleiten. Dabei stehen die Worte Rache und Schuldzuweisung stets präsent im Raum. Das Buch kann man in verschiedene Abschnitte unterteilen, wobei zuerst die Vergangenheit im Fokus steht, danach das ,,Wiedersehen" mit den wichtigsten Schlüsselfiguren und darauf folgt ein unorthodoxer Rachefeldzug, den ich in einer solchen Variante bis dato noch nicht gesehen hatte. Für mich war es durchgängig spannend, auch wenn es bis zur eigentlichen Vollstreckung einige Zeit dauert. Der flüssige Schreibstil des Autors und sein Talent die Ängste, Gefühle, Gedanken und Charaktereigenschaften der einzelnen Personen detailliert zu beschreiben, sorgten laufend für Abwechslung. Ich fand es sehr faszinierend, wie unsympathisch oder sympathisch, je nach Zweck der Figur, die einzelnen Charaktere rübergebracht wurden. Er schaffte es stets die richtigen Worte für die jeweilige Person zu finden und wenn die Ereignisse nicht so passiert wären wie sie es nun mal waren, hätte ich vermutlich selbst einschreiten müssen, da manche Protagonisten einfach nicht zum Aushalten waren. Ich finde es immer überaus spannend und faszinierend, wenn ein Autor mir solche Gedanken und Emotionen aufgrund seines eindringlichen Schreibstils entlocken kann.

 

Als die eigentliche Show beginnt, hatte ich bereits gefühlt 100 Vermutungen aufgestellt, die ich alle gegen Ende über Bord werfen musste. Den Täter hatte ich zwar kurz im Visier, aber aufgrund der Tücken des Autors hatte ich diese Variante dann doch nicht vorhergesehen. Wie ihr merkt, hat das Buch wirklich sehr viele positive Eigenschaften und ich kann dieses an Thrillerfans nur weiterempfehlen, die an Rachegedanken interessiert sind. Obwohl wir das Thema bereits zur Genüge aus Filmen und Büchern kennen, schafft es der Autor diesem Thema seinen eigenen Stempel aufzudrücken und nicht in der breiten Masse unterzugehen. Für meinen Geschmack hätte der Brutalitätslevel noch etwas höher sein können, denn teilweise fand ich die Bedrohung nicht hoch oder gefährlich genug. Diese Einschätzung teilten wohl auch die Protagonisten, denn trotz aller Ereignisse und Warnungen, finden manche sofort in ihren Alltag zurück und tun so, als ob nie etwas passiert wäre. Das fand ich etwas befremdlich und nicht nachvollziehbar, da ich vermutlich das Land verlassen hätte und untergetaucht wäre. Aber jedem das Seine, man muss natürlich nicht immer alles nachvollziehen und verstehen können, immerhin geht jeder mit seinen Problemen anders um. Was mich leider schwer enttäuscht hat war das Ende. Auf mich wirkte es so, als ob das Buch einfach mittendrunter aufgehört hat. So etwas gefällt mir überhaupt nicht, denn ich bevorzuge einen sauberen und runden Abschluss. Auch kam ich zum Schluss hin mit der Story nicht mehr mit, da in meinen Augen einiges schief lief und keinen Sinn ergab. Ich bin somit sehr gespannt, ob noch ein weiterer Teil geplant ist und die Geschichte zu einem würdigen Ende kommt. Natürlich ist das nur meine persönliche Meinung und jeder sollte das Buch selbst gelesen haben, um sich ein eigenes Bild bzw. Meinung zu formen. Bis auf diese kleinen Kritikpunkte hatte ich jede Menge Spaß und überaus aufregende sowie fesselnde Lesestunden. Ich bin sehr froh mich auf dieses Werk eingelassen zu haben und kann es wie gesagt auf jeden Fall weiterempfehlen. In diesem Sinne wünsche ich euch eine gute Unterhaltung und passt auf jeden Fall auf, mit wem ihr euch anlegt ;)